Hallo Sissa. 1992 war die Gruppe Stjórnin bereits sehr erfolgreich und etabliert in Island, und das nicht nur durch die Teilnahme am Eurovision Song Contest 1990. Wer hatte die Idee dich in die Gruppe aufzunehmen? War es ausschließlich für die Teilnahme am Eurovision Song Contest, bzw. an "Söngvakeppnin 1992"?

Es war nur für die Teilnahme am Eurovision Song Contest. Zur damaligen Zeit hatte ich meine eigene Band, so dass ein längerfristiges Engagement für mich sowieso nicht infrage kam. Ich glaube der eigentliche Grund war, dass ich damals sehr intensiv mit Friðrik Karlsson, einem der Autoren von "Nej eða já", zusammen gearbeitet habe. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits einige seiner Kompositionen gesungen, unter anderem "Lengi lifi lifið", gemeinsam mit Jóhannes Eiðsson in der isländischen Vorentscheidung 1991. Ich denke, er wollte einfach auf Nummer sicher gehen und die Konkurrenz bereits im Vorfeld aus dem Feld schlagen. Daher hat er mich für Stjórnin engagiert, damit kein anderer Autor sich meine Dienste unter den Nagel reißen konnte (lacht). In Friðriks Augen hat es wohl einfach gut ausgesehen mich für den Auftritt von Stjórnin beim Eurovision Song Contest 1992 dabei zu haben. Ich hatte bereits vorher in einigen Shows und Projekten mit Grétar und Sigga zusammen gearbeitet. Wir hatten über die Wintermonate ein permanentes Engagement im \\\"Hotel Ísland\\\" und verstanden uns einfach gut. Sigga und ich sind uns in vielen Dingen sehr ähnlich. Wir haben dieselbe Größe und denken ähnlich. Deshalb harmonieren wir wohl auch so gut miteinander. Ich denke, Friðrik hatte da eine gute Idee. Ich war von Anfang an davon begeistert, da ich damals auch ein riesiger Stjórnin-Fan war. Und wir gaben auf den Fernsehschirmen ein tolles Bild ab. Wäre Sigga 20 cm größer als ich, hätte es sicher nicht so gut ausgesehen (lacht). Es war einfach die perfekte Kombination und hob die Qualität des gesamten Acts. Ich denke, wir haben damals einen tollen Job gemacht.

Welche Erinnerungen hast du an Malmö?

Es war einfach toll die ganze Woche über wie ein Superstar behandelt zu werden. Obwohl ich mich selber nicht so sehe und auch nie gesehen habe. Ich bin kein Superstar. Jeder wollte ein Interview, so wie ihr Beiden heute. Es war wie im Film. Ich war knapp über 20 und fühlte mich in Malmö wie ein großer Star. Die viele Aufmerksamkeit, die ich damals bekam, war einfach überwältigend. Wir hatten als Gruppe unheimlich viel Spaß. Die schlimmen Dinge behalte ich besser für mich… (lacht). Es waren einfach zu viele Partys (lacht).

War es schwierig für dich die Choreographie damals zu lernen? Hast du eine Tanzausbildung?

Ich bin keine ausgebildete Tänzerin. Dennoch liegt mir das Tanzen mehr im Blut, als Sigga. Als Teenager hatte ich zwar einige Tanzstunden, jedoch nichts wirklich Professionelles. Es sollte einfach ein wenig mein Bühnentalent unterstützen. Daher war für mich das Tanzen bei "Nej eða já" keine große Sache. Allerdings hatten wir eine Menge Spaß bei den Vorbereitungen für Malmö. Drei Monate lang haben wir hart trainiert. Das lag daran, dass unsere Stile sehr unterschiedlich waren. Ich habe die Angewohnheit mich zu viel zu bewegen, Sigga dagegen eben zu wenig. Allein um die Bewegung unserer Hände zu synchronisieren dauerte Ewigkeiten. Wie hoch diese sein sollten. Doch letzten Endes hat sich die ganze Arbeit ausgezahlt. Wir hatten mit Helena Jonsdottir damals eine wirklich tolle Choreographin. Ich glaube, sie hat mit uns wirklich jeden Tag in diesen drei Monaten geübt. Sie war sehr geduldig mit uns. Aber, wie gesagt, wir hatten viel Spaß zusammen. Die große Schwierigkeit an unserer Choreographie war, dass wir beim Übergang zur Schlusssequenz Bewegungen mit unseren Füßen machen mussten. Ich glaube, allein das hat einen Monat gedauert, bis es uns in Fleisch und Blut übergegangen war (lacht). Da wir beide keine professionellen Tänzer waren, hat es eben so lange gedauert. Aber auch hier war die Schwierigkeit die Synchronität zwischen Sigga und mir. Alles andere war nicht ganz so schwierig.

War das nicht schwierig für euch Beide sich als gestandene Persönlichkeiten dermaßen unterzuordnen?

Nein, denn wir wussten ja, was Sinn und Zweck der Sache war und wollten die optimalsten Voraussetzungen für unseren Auftritt in Malmö schaffen. Wir wollten alles ähnlich machen und sein. In den Bewegungen und was die Kleidung anbetraf. Und was tut man nicht alles fürs Showbusiness. Sigga hatte, seit ich denken konnte, damals immer kurze Haare. Ich dagegen hatte immer sehr lange Haar. Seinerzeit hatte doch auch Madonna diese blonden Locken. Sigga ließ sich im Vorfeld die Haare wachsen, aber ich weigerte mich mir die Haare kurz schneiden zu lassen. Also entschieden Produzenten und Komponisten ich müsse mir Locken machen, damit meine Haare kürzer aussahen. Wir sollten uns noch ähnlicher sehen. Friðrik, Grétar und die Produzenten waren der Überzeugung, dass es so besser aussehen würde. Es wurde auf so viele winzige Details geachtet. Bei der ersten Probe für "Söngvakeppnin 1992" hatte ich noch glatte, lange Haare. Etwa so wie jetzt. In der Generalprobe hatte ich schon Locken. Aber irgendwann war ich es Leid mir ständig diese Locken reindrehen zu müssen. Denn ich weigerte mich damals mir Dauerwellen machen zu lassen. Nicht für viel Geld (lacht). Das dauerte bis Malmö. Danach habe ich mir, glaube ich, drei Jahre lang nicht mehr die Haare schneiden lassen (lacht). Aber wie gesagt, fürs Showbusiness machen wir doch alles. Und es war eine großartige Show. Es hat unheimlich viel Spaß gemacht. Und ich beschwere mich ja auch nicht über die Dinge, die langweilig waren. Wie eben mir ständig Lockenwickler reindrehen zu lassen (lacht).

Der deutsche Kommentator Jan Hofer erwähnte damals bei seiner Ansage für Island, dass da als Heart 2 Heart zwei Paare auf der Bühne stehen würden. Stimmte das, oder war das eben auch nur "Showbusiness"?

Das war nur "Showbusiness". Wir waren beides keine Paare. Weder Sigga und Grétar, noch Friðrik und ich.

1994 hast du "Nætur" in der isländischen Vorentscheidung gesungen und hast gewonnen. Letzten Endes ist dann aber Sigga nach Dublin gefahren. Wer hat dir gesagt, dass du nicht am Eurovision Song Contest teilnehmen wirst?

Es war Teil des Vertrages zwischen Friðrik Karlsson und mir. Er wollte von Anfang an, dass Sigga im Falle eines Sieges sein Lied in Dublin präsentieren soll. Ich war zu der Zeit selber sehr stark in verschiedene Projekte mit meiner eigenen Band eingebunden. Aber natürlich wäre ich gerne als Vertreterin Islands zum Eurovision Song Contest gefahren. Einen Tag vor der Vorentscheidung in Island bat mich Friðrik "Nætur" bei "Söngvakeppnin 1994" zu singen. Ich hatte kaum 24 Stunden Zeit mich auf den Song und den Auftritt vorzubereiten (lacht). Ich wurde einfach ins kalte Wasser geworfen und habe auch nicht großartig darüber nachgedacht. Ich habe es einfach getan, und gut war es. Natürlich haben sich hinterher die Medien auf diese Geschichte gestürzt. Weder Friðrik noch ich hatten einen Plan, was wir da eigentlich taten. Er wollte einfach nur, dass ich das Ding für ihn gewinne. Mehr nicht. Und das tat ich.

Warst du wütend auf Sigga, dass sie sozusagen mit deinem Lied nach Dublin gefahren ist?

Nein. Ich war nie wütend auf sie. Wir sind sehr gute Freunde. Ich kenne sie gut genug, dass ich weiß, dass sie mir meinen Platz nicht streitig gemacht hat. Natürlich war es ein wenig enttäuschend für mich, dass ich nicht nach Dublin fahren durfte. Ich habe mich damit letzten Endes abgefunden und habe es überlebt (lacht). Außerdem wurde bei "Nætur" im Vergleich zur Vorentscheidung ohnehin das Arrangement überarbeitet. Was ich sehr schade fand.

Wann und warum hast du dich dazu entschlossen der Musikbranche den Rücken zu kehren?

Das muss etwa vor zehn Jahren gewesen sein. Ich war schon immer jemand, der gerne experimentiert und verschiedene Dinge ausprobiert hat. Im Laufe meiner Karriere war ich mit zahlreichen Bands unterwegs und habe diverse Musikstile ausprobiert. Ich konnte mich über mangelnde Engagements nie beklagen. Ehrlich gesagt, habe ich mir über die Chronologie meines Rückzugs noch nie Gedanken gemacht. Es hat sich für mich einfach richtig angefühlt. Es sind wirklich bereits zehn Jahre vergangen, als ich komplett mit dem Singen aufgehört habe. Ich wurde damals Mutter und bekam außerdem einen Lehrstuhl an der Universität hier in Reykjavik angeboten. Es waren irgendwann einfach zu viele Jobs, so dass ich mich entscheiden und etwas aufgeben musste. Und das war dann eben das Singen. Ich habe meine Wahl getroffen und bin damit absolut glücklich.

Was ist heute dein Hauptberuf?

Ich bin seit 15 Jahren in der IT-Branche tätig. Ich bin Abteilungsleiterin und entwickele mit meinem Teams Apps für meinen Arbeitgeber.

Während unseres Aufenthalts hier in Reykjavik treffen wir dich bereits zum dritten Mal innerhalb kürzester Zeit. Du hast ein ansteckendes Lachen, scheinst immer fröhlich zu sein. Würdest du dich als glücklichen und fröhlichen Menschen bezeichnen?

(Lacht) Viele Menschen neigen dazu, das über mich zu sagen. Ich finde mich selber sehr oft eher langweilig. Aber ja, ich denke ich bin ein fröhlicher Mensch. Dass ich immer lächle höre ich sehr oft, seit ich geboren bin. Das liegt wohl in meinem Naturell. Und wenn ich gestresst bin, dann lache ich noch viel mehr.

Dies solltest du auf keinen Fall ändern. Es ist wunderbar dich Lachen zu sehen und zu hören.

Ich habe nicht vor das zu ändern, keine Sorge. Ihr habt mich erst drei Mal gesehen, und sagt mir das jetzt schon bereits. Das ist ein sehr schönes Kompliment. Aber ich muss zugeben: ich lächle nicht immer. Da müsst ihr nur meinen Mann fragen. Der kann bestätigen, dass ich nicht immer gut drauf bin. Ich denke, er bekommt mehr von der langweiligen Sissa ab. Aber dennoch, ich sammle wohl Lachfalten (lacht).

Samstagmorgen bist du mit all den ehemaligen isländischen Teilnehmern auf der Bühne gestanden, um das Medley für die Eröffnungssequenz von "Söngvakeppnin 2016" aufzunehmen. Was ist es für ein Gefühl Teil dieser "exklusiven" Familie zu sein?

Es war wirklich ein Riesenspaß mit all diesen großartigen Menschen auf einer Bühne zu stehen und Teil dieser Familie zu sein. Auch die Tatsache, dass ihr nach so langer Zeit hier mit mir sitzt und dieses Interview führt, ist einfach grandios. Das hatte ich bei Weitem nicht erwartet, als ich vor 24 Jahren in Malmö auf die Bühne ging. Und beinahe jedes Jahr kommt irgendetwas nach. Ich werde für Interviews und Auftritte angefragt, obwohl ich keine Sängerin mehr bin. Mindestens einmal im Jahr bin ich im Fernsehen, oder singe "Nej eða já" gemeinsam mit Sigga. Und es macht immer noch Spaß. Mit den meisten Sängerinnen und Sängern, die für Island teilgenommen haben, bin ich immer noch sehr gut befreundet. Ich denke, das macht das alljährliche Wiedersehen auch so bedeutungsvoll. Weil wir den Kontakt nie verloren haben. Und das, obwohl ich seinerzeit vom Singen etwas gelangweilt war. Es war einfach großartig inmitten all dieser wunderbaren Künstler auf der Bühne zu stehen und dieses Medley aufzunehmen. 1992 war das siebte Mal, dass Island Künstler zum Eurovision Song Contest geschickt hat. Samstagmorgen fühlte es sich an, als wären bereits 100 Jahre seit meiner Teilnahme in Malmö vergangen. Erst da habe ich realisiert, dass ich eine von den Ersten gewesen bin, seit Island 1986 mit ICY debütiert hat. Dass schon so viel Zeit vergangen ist (lacht). Ich bin wirklich alt (lacht).

Die Chemie, wenn man nicht alleine auf die Bühne geht, spielt eine große Rolle. Verbindet dich mit Sigga eine besondere Freundschaft? Ihr habt es in Malmö eindrucksvoll verstanden Fröhlichkeit und Leichtigkeit über den Bildschirm zu transportieren. Es standen damals nicht zwei Solosängerinnen auf der Bühne, sondern ihr seid eine Einheit gewesen.

Es ist immer wieder schön mit Sigga auf der Bühne zu stehen. Du hast Recht. Man merkt, dass wir Freundinnen sind und uns gut verstehen. Und wenn wir schon beim Thema Lachen sind, bzw. waren: Ich glaube, Sigga lächelt noch viel mehr als ich. Deshalb verstehen wir uns auch so gut, weil wir ähnliche Charaktere sind. Ich vermute, deswegen denken die Leute auch, dass wir richtige Blondinen sind (lacht). Wir hatten bei unserem Auftritt damals dieses Glühen und haben einfach nur gestrahlt. Sigga und ich konnten das sehr gut rüberbringen. Ohne uns wirklich anstrengen zu müssen. Es kam aus unserem tiefsten Innern. Ich kann nicht einmal genau sagen, was es ist. Es ist einfach da. Es ist etwas, dass nicht jeder besitzt. Aber es ist gut dies zu haben wenn man im Fernsehen auftritt.

Wart ihr mit Platz 7 zufrieden, oder wart ihr enttäuscht?

Ich denke, Platz 7 war in Ordnung. Es lag wohl zum Teil auch daran, dass wir damals auf Isländisch singen mussten. Natürlich haben wir darüber nachgedacht, wie es gewesen wäre, hätten wir auf Englisch singen dürfen. Vielleicht hätten wir da besser abgeschnitten. Weil wir zur damaligen Zeit damit eher aufgefallen wären. Heute fällst du auf, wenn du nicht auf Englisch singst.

Wärst du auch schon gerne beim Auftritt von Stjórnin 1990 in Zagreb mit dabei gewesen?

Ich denke, das hätte nicht gepasst. Außerdem, Sigga und Grétar waren absolut perfekt auf der Bühne, als sie "Eitt lag enn" gesungen haben. Das Gesamtpaket war absolut perfekt. Sie sahen super aus, haben toll gesungen. In meinen Augen haben die Beiden einen neuen Standard gesetzt. Da hat einfach alles gepasst. Ich werde immer wieder im Vorfeld gefragt, wer denn den Eurovision Song Contest gewinnen wird. Ich antworte, dass ich diese Frage erst beantworten kann, wenn der Auftritt vorbei ist. Es spielen so viele verschiedene Faktoren eine Rolle. Wie die Interpreten aussehen und sich auf der Bühne bewegen. Nicht nur der Song, oder die Performance. Es hängt viel davon ab, wie das Gesamtpaket "geschnürt" ist. Wenn das nicht der Fall ist, kann es einen ganzen Auftritt auch mal schnell ruinieren. Als Grétar und Sigga mit diesen Bildschirmen im Hintergrund in Zagreb auf die Bühne kamen, war es einfach perfekt. Ich hätte da nichts zu suchen gehabt. Und Sigga ist eine Sängerin, die von innen heraus leuchtet und eine unglaubliche Ausstrahlung auf der Bühne hat. Darin ist sie wirklich grandios.

Vielen Dank für all die Informationen und bewahre dir auf alle Fälle dein Lachen.