Hallo Lea. Du hast an der slowenischen Vorentscheidung EMA bereits vier Mal teilgenommen und warst auch als Chorsängerin beim ESC bereits zwei Mal vertreten. Hast du in diesem Jahr damit gerechnet den Titel zu holen?

Nein, absolut nicht. Keiner aus meinem Team hat damit gerechnet, dass es dieses Mal für uns so gut laufen wird. Die Teilnahme 2018 war eigentlich mehr zu Promotion-Zwecken gedacht, da „Hvala, ne!“ Teil meines zweiten Albums werden sollte. Welches mehr in Richtung Electronic gehen soll, als das erste. Aus diesem Grund die Teilnahme bei der EMA. Genauer betrachtet war ich die letzten Jahre eigentlich fast immer bei der EMA mit dabei. Wenn nicht als Solointerpretin dann als Chorsängerin. Nach dem Sieg war ich einfach extrem überrascht, jetzt bin ich einfach nur megaglücklich, dass ich für Slowenien nach Lissabon fahren darf. Und bin sehr gespannt, was so alles passieren wird.

"Hvala, ne!" ist kein typischer ESC-Song. Denkst du, dies ist ein Vorteil im Wettbewerb oder eher ein Nachteil?

Meiner Ansicht nach ist es eher ein Vorteil anders zu sein. Ich finde, das haben auch die letzten Jahre bewiesen. Wir alle wissen, was wir zu erwarten haben, wenn wir uns den Eurovision Song Contest im Fernsehen anschauen. Ein Song wie meiner ist immer für eine Überraschung gut. Weil er, meiner Ansicht nach, stark polarisieren wird. Die einen werden ihn lieben, die anderen werden ihn hassen. Ich denke, dazwischen gibt es nichts. "Hvala, ne!" ist etwas sehr "Spezielles".

Du bist eine der wenigen Interpreten, respektive Interpretinnen, die ihr Lied beim Eurovision Song Contest 2018 in ihrer Heimatsprache vortragen. Gab es Ãœberlegungen "Hvala, ne!" auf Englisch zu performen? Und warum hast du dich dazu entschieden deinen Beitrag auf Slowenisch zu singen?

Ursprünglich war der Song auf Englisch konzipiert. Der slowenische Text kam später. Die Verantwortlichen der EMA von RTV SLO hatten wieder einmal die Regeln geändert. In den Halbfinals musste der Beitrag auf Slowenisch gesungen werden. Also habe ich im Nachgang noch einen slowenischen Text verfasst. Ich muss zugeben, dass mich die ganze Aktion ziemlich viel Nerven gekostet hat. Weil auch die Zeit ziemlich knapp war. Ich war ein wenig überfordert damit den Text Eins zu Eins vom Englischen ins Slowenische zu übersetzen. Doch irgendwann hatte ich eine Eingebung. Plötzlich war die Titelzeile "Hvala, ne!" in meinem Kopf. Ich war völlig von den Socken: "Wow, ich habe einen Namen für das Lied, der perfekt ist." Und genau das war es, was den Menschen so gefiel. So sehr, dass ich den Titel auch für die englische Version übernehmen wollte. Jedoch bekam ich nach dem Semifinale in Slowenien so viel positive Resonanz auf "Hvala, ne!". Auch aus dem Ausland, dass ich das nun nicht mehr ändern wollte und auch im Finale der EMA auf Slowenisch sang. Zahlreiche Kommentare lauteten: "Ändere es nicht auf Englisch, lass es so!" Das hat mich bestärkt. "Hvala, ne!" ist die Hook-Line, jeder kann es aussprechen. Und aus diesem Grunde singe ich den Song auch beim ESC nicht auf Englisch, sondern auf Slowenisch.

Siehst du dich selbst eher als Rapperin oder als Sängerin?

Nein, auf keinen Fall als Rapperin. Ich sehe mich als Sängerin. Absolut. Ich liebe den Move und den Groove von "Hvala, ne!" sehr. Vor allem in Verbindung mit dem Text. Neben meiner musikalischen Karriere arbeite ich auch als Gesangslehrerin. Meine Studenten wind von meiner Rap-Einlage total begeistert. Sie sagen: "C’mon, das ist cool!" Und ich sage: "C’mon, ich bin Sängerin! Und obendrein eure Lehrerin. Keine Rapperin." Das Rappen ist, stimmlich betrachtet, keine große Herausforderung für mich. Es ist eine einzige Tonlage und geht mir ziemlich leicht von der Hand. Dennoch macht es mir unheimlich viel Spaß auch mal das Dirty-Girl zu geben (lacht).

Slowenien ist in seiner ESC-Geschichte nicht gerade vom Erfolg verwöhnt worden. Völlig zu Unrecht, meiner Ansicht nach. Was, denkst du, sind die Gründe dafür? Und glaubst du, du kannst dies nun ändern und ein Top-Resultat für Slowenien erzielen?

Ich denke in erster Linie haben wir in unserem kleinen Land nicht so gute Produktionsmöglichkeiten für Musik. Das ist wohl einer der Gründe. Ein weiterer ist dieser, dass wir zwar hervorragende Sängerinnen und Sänger in Slowenien haben.Diese sich aber nicht an der EMA beteiligen. Weil sie das Risiko scheuen sich mit einer schlechten Platzierung beim ESC oder bei der der EMA die Karriere zu ruinieren. Die meisten Künstler glauben einfach nicht an ihre Songs. Weil sie diese nicht selbst geschrieben haben. Das ist bei mir anders. Ich bin die Komponistin und die Texterin. Ich weiß genau worüber ich singe und fühle dies auch. Daher kann ich es auch dementsprechend glaubwürdig und authentisch präsentieren. Auch deshalb fühle ich mich bei meinem Auftritt unglaublich sicher. Und ich denke, das Publikum spürt das.

Du hast in Genf Querflöte studiert. Tinkara Kovač ist die berühmteste Querflöten-Spielerin Sloweniens.2014 hast du sie bei ihrem Auftritt beim ESC in Kopenhagen begleitet. Ist sie eine Art Vorbild für dich?

Ich habe in Genf Klassische Musik studiert. Die Querflöte war nur ein Teil dieser Ausbildung. Tinkara hingegen hat Jazz studiert und sich daneben ausschließlich ihrem Instrument gewidmet. Das ist schon einmal etwas völlig anderes. Eigentlich hatte ich vor die Querflöte in meine Musik miteinzubauen. Da es hier aber nur recht wenig Berührungspunkte gibt, habe ich mich letzten Endes doch dagegen entschieden. Außerdem ist Slowenien ein kleines Land. Jeder kennt Tinkara als begnadete Querflöten-Virtuosin. Und ich möchte sie nicht kopieren. Auf keinen Fall. Das wäre langweilig. Genauso langweilig wären eine Million Sänger mit einer Gitarre. Ich bin lieber eigenständig, authentisch und einmalig.

Worum geht es in "Hvala, ne!" genau? Unglücklicherweise spreche ich kein Slowenisch?

Wirklich (lacht)? Das ist aber schade. Ich möchte "Danke, nein!" zu allem sagen, was mir gegen den Strich geht und was mich stört. Gemeint ist hier die Manipulation durch das System. Wie dieses uns in der virtuellen Welt steuert und uns manipuliert. Wie es uns "auffrisst". Unsere Seelen "auffrisst". Ich singe "Hvala, ne!" zu Fake sowie zur Über-Benutzung der virtuellen Welt. Ich bin eine Mutter, daher möchte ich lieber in der Realität und nicht in einer Scheinwelt leben.

Wirst du "Hvala, ne!" auch in einer anderen Sprache als Slowenisch veröffentlichen?

Ja natürlich. Es wird eine englische Version geben. Beziehungsweise, es gibt schon eine, wie bereits erwähnt. Diese wird aber erst nach dem Eurovision Song Contest das Licht der Welt erblicken. Ich will mich ganz auf meinen Auftritt in Lissabon konzentrieren.

Bei der EMA hast du die Jury-Wertung gewonnen, beim Publikum warst du lediglich auf Platz 3. Insgesamt hat es dennoch zum Sieg gereicht. Gab es negative Reaktionen von Seiten der Zuschauer? BQL hatten, genau wie ein Jahr zuvor, die Publikumswertung gewonnen und dennoch wieder das Nachsehen.

In diesem Jahr war alles schon ein wenig komisch. Ich bin äußerst bekannt als Chorsängerin in Slowenien und habe mittlerweile für jeden Teilnehmer der EMA 2018 gearbeitet. Daher konnte auch niemand etwas dagegen sagen, als ich gewonnen hatte (lacht). Niemand konnte behaupten, ich wäre eine schlechte Sängerin. Ich hatte auch einige der Demo-Versionen der Wettbewerbsbeiträge eingesungen. Somit hat keiner getraut sich zu beschweren: "Lea, was zur Hölle machst du hier?" Als ich die Jurywertung gewonnen hatte war das allein schon großartig für mich. Ich war total überrascht. Jeder aus der Jury kannte mich. Man hätte annehmen können die Wertung wäre arrangiert, gar manipuliert, gewesen. Aber dem war nicht so. Es war etwas ganz Besonderes für mich nach meinem Sieg bei der EMA so im Mittelpunkt zu stehen. Auch im Nachgang gab es keinerlei negative Reaktionen. Alle haben sich für mich gefreut.

Du bist Mutter von zwei Töchtern. Ist es manchmal nicht schwer diese zwei Jobs unter einen Hut zu bekommen? Sängerin und Mutter?

Doch, das ist es absolut. Manchmal empfinde ich deswegen auch ein wenig Traurigkeit. Normalerweise bin ich, wenn ich die Bühne betrete, äußerst positiv gestimmt und freue mich auf den Auftritt. Doch sehr oft, wenn ich die Bühne wieder verlasse, möchte ich nur noch so schnell wie möglich nach Hause zu meinen Mädchen. Und dann gehe ich auch wirklich auf dem direkten Weg heim. Auch hier aus Amsterdam. Ich werde morgen früh mit dem ersten Flieger wieder abreisen. Denn meine Töchter, und auch mein Mann, warten zu Hause auf mich.

Schreibst du für gewöhnlich die Songs, die du singst, selbst?

Ja, für gewöhnlich schon. Ich versuche möglichst alles selbst zu machen. Dennoch brauche ich ein paar Produzenten, die mich unterstützen und mir bei der Entwicklung von Songs und Songideen unter die Arme greifen. Mein Ehemann ist mein Produzent. Wir arbeiten sehr eng zusammen.

Wirst du für Lissabon deine Choreographie noch ein wenig modifizieren, oder wird es die gleiche wie bei der EMA sein?

Wir werden möglicherweise einige Kleinigkeiten umstellen. Aber nicht sehr viel. Ich habe sehr hart am Konzept "Lea Sirk" für diesen Song gearbeitet. Habe viele Tanzstunden genommen, viel Schweiß investiert und sehr intensiv an der Choreographie gearbeitet. Daher wird der Auftritt lediglich ein kleines "Upgrade" erfahren. Mehr nicht.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg in Lissabon.